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It’s working! – Lee Meirs Solo “Translation included“ 08/2012, Tanz im August-Blog

„Is it working between us?“ fragt Lee Meir ins Publikum. Sie hebt den Arm, zeigt, fragt wieder. „Is it working between us?“, nickt und lächelt. „It’s working.“ Ja, es läuft gut zwischen uns. Oder nicht? Meir hebt den zweiten Arm, zeigt in die andere Hälfte des Saals. Besorgter klingt der Satz jetzt. Sie runzelt die Stirn, ihre Unterlippe zittert. „It’s not.“ Mit Nachdruck wiederholt sie ihre Frage in beide Richtungen. Die Hände schwingen energisch, den Kopf wirft Meir zwischen dem Ja und dem Nein hin und her, ihr Gesichtsausdruck pendelt analog zur Choreografie zwischen heiter und gequält.

Die essentielle Frage, ob es nun gut läuft oder nicht, ist Ausgangs-, Dreh- und Angelpunkt für 15-Minuten-Performance. „Translation included“ heißt das Erstlingswerk, ein ironischer Vorgriff auf Interpretationsversuche. Die 27-jährige Künstlerin spielt mit Intonation und Geste, setzt ihren Körper in Beziehung zu der immer wieder feurig ausgespuckten Frage, macht durch Variationen immer neue Assoziationen möglich.

Als sie den Kopf nach hinten wirft, den Arm nach oben ausstreckt und laut gen Himmel ruft: „Is it working between us!“ wird klar: Hier ist nicht nur die Beziehung zwischen zwei Liebenden oder zwischen Publikum und Performerin gemeint. Meirs Bezugsrahmen ist größer. Sie analysiert das Menschsein, das Sich-Positionieren in komplexen Beziehungsgeflechten, und das damit einhergehende ständige Hinterfragen und Aushandeln.

Das funktioniert über Sprache. Und im Tanz: über den Körper. Meirs Monolog wird zum Dialog, einem zwischen ihren Äußerungen und ihren Bewegungen. Einer ihrer Ellenbogen fährt plötzlich schroff in ihren Bauch, immer wieder, gepeinigt presst sie die Sätze heraus: „It’s working. It’s not working.“ Das Aushandeln der Beziehung zwischen Meirs Text und ihrem Körper wird zu Kampf, zur scheinbar unlösbaren psychologischen Herausforderung.

Nach ein paar Minuten wird klar, dass es hier vor allem um die Beziehung der Tänzerin zu ihrem Körper geht. Meir springt und dreht Pirouetten in ihrer engen Röhrenjeans, schwer atmend ihre Frage rufend. Sie hüpft in einen grotesk anmutenden Spagat, robbt über die Bühne, verharrt schließlich mit verdrehten Beinen. Im Licht der Scheinwerfer erstrahlt ein vom Ballet malträtierter Tänzerkörper.

Meir setzt sich in dieser Stellung auf, klatscht mit einer Hand gegen ihren verdrehten Fuß, immer wieder. Dann löst sie sich aus der absurden Pose, tanzt, und findet in den letzten Minuten ihrer kurzen Performance neue, besänftigende Worte: „It’s good. It’s good. When it’s gone. It’s nice and good when it’s gone.“ Ihre Stimme wird leiser, Meir hechelt die letzten Worte, das Licht wird dunkler. Fade-Out.

Direkt nach der legendären ­Lisbeth Gruwez aufzutreten, die mit „It’s going to get worse and worse and worse, my friend“, einer perfekt durchkomponierten und künstlerisch fordernden Performance, begeisterte – das hätte zu einem undankbaren Job werden können. Meir aber überzeugte an diesem Doppelabend mit einer Choreografie, die sich genial zwischen psychologischer Reflexion und feiner Situationskomik bewegt.

In ihrer Heimat Israel hat Meir schon mehrere Nachwuchspreise erhalten, derzeit studiert sie am Hochschulübergreifenden Zentrum Tanz in Berlin Choreografie. Was die Platzierung im Programm impliziert, könnte durchaus aufgehen: Meir könnte in Gruwez’ Fußstapfen treten. Das Zeug dazu hat sie allemal.