“I am often asked: What comes after decolonial thinking? Frankly, I’m less concerned with what comes after than with the fact that it is an ongoing conversation in the here and now, a series of acts of repair taking place in different spheres of society.” (Kader Attia)
Colonialism continues to impact the present, long after the achievement of political independence by people in the Global South. Over 500 years of colonial thought and action have shaped all aspects of life—in the societies of the South and also the North. Colonial violence, fascism, and capitalist exploitation continue, persisting in ever-new forms. Liberating knowledge, thinking, and action from colonial patterns is what drives decolonial processes, which seek to unlearn what has been learned and continuously question existing points of view.
Kader Attia looks back on more than two decades of decolonial engagement. As an artist, thinker, and activist, he has been particularly engaged with the notion of repair—first of objects and physical injuries, and then of individual and societal traumas. Throughout his practice, repair has emerged as a mode of cultural resistance, a form of agency that finds expression in diverse practices and fields of knowledge. In his role as curator of the 12th Berlin Biennale, Attia makes this form of agency the starting point of a program that involves contributors and audiences in a critical conversation, in order to find ways together to care for the now.
Recognizing art as a special form of repair, the 12th Berlin Biennale unfolds around a set of questions. How can the decolonization of art be conceived—from the restitution of plundered goods to an anticolonial culture of memory? What role can non-Western feminist movements play in the reappropriation of history and identity? How are climate crisis and colonialism related? How can resource extraction be resisted and native knowledges acknowledged to preserve ecosystems?
With exhibitions, interventions, and events, the 12th Berlin Biennale will span diverse venues in the city, offering a discursive space that bridges different fields of knowledge production. From June 11 to September 18, 2022 a polyphonic debate unfolds, convening artists, scholars, and activists to map the world with its ruptures and contradictions, create counter-trajectories to the colonial narrative, and collaboratively shape new forms of agency for the future.
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„Ich werde oft gefragt, was nach dem dekolonialen Denken kommt. Mir geht es allerdings weniger um das, was danach kommt, als vielmehr um die Tatsache, dass es sich dabei um einen fortlaufenden Austausch im Hier und Jetzt handelt, um eine Reihe von Akten der Reparatur, die sich in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft vollziehen.“ (Kader Attia)
Der Kolonialismus wirkt in der Gegenwart fort, auch lange nachdem Menschen im Globalen Süden ihre politische Unabhängigkeit erreicht haben. Über 500 Jahre koloniales Denken und Handeln haben alle Bereiche des Lebens geprägt – in den Gesellschaften des Südens genauso wie in denen des Nordens. Koloniale Gewalt, Faschismus und kapitalistischer Raubbau dauern an und neue Spielarten entstehen. Wissen, Denken und Handeln von kolonialen Mustern zu befreien, ist der Antrieb eines dekolonialen Prozesses, der dazu auffordert, Gelerntes zu verlernen und den eigenen Standpunkt immer wieder zu hinterfragen.
Kader Attia blickt auf mehr als zwei Jahrzehnte dekoloniales Engagement zurück. Als Künstler, Denker und Aktivist hat er sich insbesondere mit dem Begriff der Reparatur, zunächst von Objekten und körperlichen Verletzungen und schließlich von individuellen und gesellschaftlichen Traumata, beschäftigt. Die Reparatur hat sich dabei als eine Möglichkeit kulturellen Widerstands erwiesen, als eine Art der Handlungsmacht, die in unterschiedlichen Praktiken und Wissensformen Ausdruck findet. Als Kurator der 12. Berlin Biennale macht Kader Attia diesen Ansatz zum Ausgangspunkt eines Programms, das Beitragende und Publikum in eine kritische Debatte involviert und in eine gemeinsame Suche nach Wegen, für das Jetzt Sorge zu tragen.
Mit der Kunst als einer besonderen Form der Reparatur in ihrem Zentrum entfaltet sich die 12. Berlin Biennale entlang einer Reihe von Fragen. Wie lässt sich eine Dekolonisierung der Künste denken – von der Restitution geplünderter Güter bis hin zu einer antikolonialen Erinnerungskultur? Welche Rolle können feministische Bewegungen aus der nichtwestlichen Welt bei der Wiederaneignung von Geschichte und Identität spielen? Wie hängen Klimakrise und Kolonialismus zusammen? Wie kann Widerstand gegen den Ressourcenabbau aussehen und ursprüngliches Wissen dazu beitragen, Ökosysteme zu bewahren?
Die 12. Berlin Biennale bespielt mehrere Orte in der Stadt mit Ausstellungen, Interventionen und Veranstaltungen und erstreckt sich als diskursiver Raum über verschiedene Bereiche der Wissensproduktion. Vom 11. Juni bis zum 18. September 2022 entwickelt sich ein vielstimmiges Programm, in dem Künstler:innen, Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen zusammenkommen. Sie kartografieren die Welt mit ihren Brüchen und Widersprüchen, entwerfen Gegenerzählungen zum kolonialen Narrativ und gestalten gemeinsam neue Formen der Handlungsmacht für die Zukunft.