Schön wie eine Tiefgarage
In Bonn entstand das erste Frauenmuseum der Welt. Eine Stiftung soll jetzt die Zukunft der Institution retten.
Eine Gruppe von Künstlerinnen, Architektinnen und Frauen aus der Raum- und Stadtplanung zeigte 1981 in einem leerstehenden Kaufhaus die Kunstausstellung „Wo Außenseiterinnen wohnen“. Die Stadt hatte die Nutzung des Gebäudes dafür genehmigt. Die Frauen blieben, besetzten das Kaufhaus und etablierten dort das erste Frauenmuseum der Welt. Sie produzierten vor Ort Kunst, führten Aktionen und Performances durch. Später handelten sie einen Nutzungsvertrag aus und die Stadt übernahm die Mietkosten. Mit Subventionen von Stadt, Land und Bund schufen sie geringfügig dotierte Stellen. Nach dem Vorbild des Bonner Projekts wurden später auf der ganzen Welt Frauenmuseen gegründet. Alle zwei Jahre treffen sich die Betreiberinnen heute zum Weltkongress.
Die Geschichte lässt sich gut erzählen, das Frauenmuseum Bonn ist ein Vorzeigeprojekt. Seine Zukunft ist trotzdem nicht gesichert, denn im Zuge von Kürzungen des Bonner Kulturetats wurde die Förderung gestrichen. Nur noch bis 2019 erhält das Frauenmuseum einen monatlichen Kostenzuschuss von 120.000 Euro. Nach Abzug der Miete, die von einem kommunalen Topf in den anderen wandert, bleiben davon zwar gerade mal 25.000 Euro übrig. Doch auch diese Summe wird fehlen. Den Wind lassen sich die Aktivistinnen aber nicht aus den Segeln nehmen. Gerade gründen sie eine Stiftung, um sich von der Politik unabhängig zu machen. Private Spender tragen schon jetzt die Projekte, Museumsleiterin Marianne Pitzen und ihre Mitstreiterinnen sehen darin ein zukunftsfähiges Modell. In den USA etwa werden große Museen wie das Guggenheim schon lange von privaten Stiftungen getragen.
In über 700 Einzel- und Gruppenausstellungen zeigten Künstlerinnen in Bonn ihre Werke und luden zu partizipativen Projekten ein. Yoko Ono stellte Anfang der Neunzigerjahre eine Soldatenplastik im Hof auf, die Gäste dann bemalten. Darüber hinaus entwickelten Kuratorinnen gemeinsam mit Historikerinnen thematische Ausstellungen, zum Beispiel über Astronominnen oder das Frauenwahlrecht in Europa. Noch bis November ist im Frauenmuseum eine Ausstellung über die Rolle von Frauen im Ersten Weltkrieg zu sehen, eine bisher selten eingenommene Perspektive.
Als Bonn noch Bundeshauptstadt war, profitierte das Museum von seinem Standort. Pitzen ist selbst Künstlerin, sie war schon bei der Besetzung dabei und erinnert sich noch gut daran, wie das Frauenmuseum allmählich zur Institution wuchs: „Die Ministerinnen und Lobbyistinnen arbeiteten ja gleich um die Ecke. Wir holten sie als Rednerinnen, Schirmfrauen und Unterstützerinnen ins Boot“.
Anfangs verstand sich das Frauenmuseum in dem Betonbau mit Neonröhren, Säulen und Schaufenstern, den Pitzen einmal als „schön wie eine Tiefgarage“ beschrieb, noch mehr als Persiflage einer Institution. Hinter Türen mit Schildern, auf denen „Archiv“ oder „Museumspädagogik“ stand, befanden sich nur leere Räume. Heute gehören Workshops, Vorträge und Kunstvermittlung zum Programm. Auch Nachbarschaftsprojekte finden hier Platz. Gleich zwei Archive sind im Frauenmuseum untergebracht. Eins davon versammelt Dokumente, Texte, Bücher, Zeitschriften, Fotografien und Filme zu Frauen in der Kunst – Daten von rund 10.000 Künstlerinnen sind hier zu finden. Vor über zehn Jahren zog auch das Ende der Achtzigerjahre von der Bonner Frauenbewegung initiierte „FemArchiv“ mit Literatur und Materialien zu feministischen Theorien in das Haus.
Zu den wichtigsten Projekten des Frauenmuseums gehört der Gabriele Münter Preis für Künstlerinnen ab 40 Jahren. Er wird gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, dem Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) und dem Verband der Gemeinschaften der Künstlerinnen und Kunstförderer (GEDOK) ausgelobt. Zu den Preisträgerinnen zählten schon die feministische Künstlerin Valie Export und die Videokünstlerin Ulrike Rosenbach. Zuletzt wurde der mit 20.000 Euro dotierte Preis an Christiane Möbius verliehen. Gabriele Münter war eine bedeutende expressionistische Malerin und neben Kollegen wie Wassily Kandinsky und Franz Marc Mitglied der Künstlergruppe Der Blaue Reiter. Über so viel Sichtbarkeit konnten sich Künstlerinnen im vergangenen Jahrhundert nur selten freuen. Noch heute sind gerade ältere Frauen bei hoch dotierten Auszeichnungen stark unterrepräsentiert, darauf soll der Preis aufmerksam machen.
Neben der Gründung der Stiftung arbeiten Pitzen und Unterstützerinnen derzeit an einer Crowdfunding-Kampagne. Beide Wege – das Akquirieren von privaten Geldgebern und die Schwarmfinanzierung im Internet – könnten gut funktionieren, auch aufgrund der inspirierenden Geschichte des Projekts. Neben finanziellen Mitteln bleibt ehrenamtliches Engagement wichtigste Ressource. Das sei von Anfang an so gewesen, erinnert sich Pitzen. Einige Künstlerinnen hätten sich damals gleich Ateliers in das Museum gebaut, an den Wochenenden das Haus gehütet, Führungen gemacht, Kaffee für Besucher gekocht und Kataloge verkauft. Das Improvisierte und Spontane hat sich erhalten und macht bis heute die Atmosphäre des Frauenmuseums aus.