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Planeten, Zwergplaneten und Digitale Kultur 02/2013, Transmediale-Blog

Inspiration aus dem All: Die transmediale 2013 erinnert an die Zeit, als Pluto noch ein Planet war

Merkur, Venus, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus, Neptun und die Erde sind Planeten. Pluto war mal einer. Am 24. August 2006 erkannte ihm die Internationale Astronomische Union den Planetenstatus ab. Eine Welle des Protests schwappte damals durch die Popkultur, medial inszeniert mit Songs wie Bring Back Pluto von Aesop Rock, Kondolenz-T-Shirts und Autoaufklebern. Seitdem ist Pluto eine Metapher dafür, wie schnell sich die Parameter kollektiver Vorstellungswelten verändern. Im Netzjargon steht das Akronym BWPWAP – Back When Pluto Was A Planet (als Pluto noch ein Planet war) – für schwankende Definitionen und Identitäten, für immer kurzlebigere Technologien, für alles, was eigentlich noch gar nicht alt ist, sich aber doch sehr nach „damals“ anfühlt.

Die transmediale 2013 hat BWPWAP zu ihrem Leitmotiv gemacht und führt unter diesem Titel aktuelle medientheoretische Diskurse und Medienkunst zusammen. Konferenz und Ausstellungen fragen nach neuen Strategien in Forschung, Kunst und digitaler Praxis, geben Einblick in aktuelle medientheoretische Diskurse, decken Funktionsweisen von Netzwerken auf, nehmen die verschiedenen Rollen des Users unter die Lupe, beleuchten Tendenzen in Politik und Ökonomie und stellen zeitgenössische künstlerische Positionen vor, die sich mit digitaler Kultur auseinandersetzen.

Wie immer macht das Festival auch einen kuratierten Streifzug durch die Geschichte der Medienkunst, unter anderem mit der ersten umfassenden Retrospektive zum Werk der US-amerikanischen Künstlerin Sonia Landy Sheridan, die in den 1960er Jahren zu den Ersten gehörte, die aufkommende Medientechnologien wie Fotokopierer in die Kunst einführten. Neben Namen, die noch zu entdecken sind, stehen auch große im Programm: Turner-Prize-Gewinnerin Elizabeth Price kommt nach Berlin und stellt zwei Filmarbeiten vor, der Filmemacher und Comicbuch-Autor Alejandro Jodorowsky schaltet sich via Live-Stream ins Auditorium des Hauses der Kulturen der Welt, US-Poet Kenneth Goldsmith doziert über sein Prinzip des Unkreativen Schreibens und Medienkünstler Carsten Nicolai präsentiert eine audiovisuelle Installation zu Akronymen.

Hoher Besuch aus der Welt der Astronomie hat sich auch angekündigt: Zur Eröffnung kommt Mike Brown, Professor für Planetarische Astronomie am California Institute of Technology und bekannt als der Mann, der Pluto auf dem Gewissen hat. Seine Entdeckung des Zwergplaneten Eris hatte zur Debatte um die Neudefinition von Planeten und schließlich zu Plutos Degradierung geführt.

Während Pluto – nun als Zwergplanet – seine elliptische Bahn um die Sonne zieht, berichtet dieser Blog mit Interviews, Kritiken und Reportagen von der transmediale 2013 und dem Vorspiel, ein von der transmediale und dem Partner-Festival CTM kuratiertes Vorprogramm mit Ausstellungseröffnungen, Performances und Präsentationen an 35 Spielorten in Berlin. Ob die Parameter der Pixelsphäre vielleicht längst weniger wanken als die der physischen Welt, wird sich zeigen.

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