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Kinder dürfen rein 04/2014, Monopol

Alberta Niemann und Jenny Kropp sind die Gruppe Fort – für das „New Positions“-Programm der Art Cologne bauen sie einen Technoclub nach

SW: Alberta Niemann und Jenny Kropp, Sie überführen oft gefundene Interieurs in Rauminstallationen. Für die Arbeit „Leck“ haben Sie kurz nach der Insolvenz der Drogeriemarktkette Schlecker die Einrichtung eines geschlossenen Ladens in einer Galerie aufgebaut.

FORT: Die meisten unserer Installationen zeigen eine Situation, die man kennt. Dann gibt es einen Moment der Irritation, der die Wahrnehmung ins Wanken bringt. Mit Schlecker sind die meisten groß geworden, plötzlich sieht man die leere Einrichtung, eine Art Endzeitszenario. Uns interessiert dieses Spannungsfeld zwischen Wirklichkeit und Wahrnehmung. Für die Ausstellung „One on One“ in den Kunstwerken haben wir „The Charmer“ konzipiert, einen geschlossenen Raum, der wie eine verlassene Küche aussah. Nur ein Kühlschrank, der wie eine Taube gurrte, und eine pochende Heizung waren zurückgeblieben. Sie entwickelten ein Eigenleben, eine Art Dialog.

SW: Auf der Art Cologne werden Sie die gemeinsam mit Anna Jandt entwickelte Videoinstallation „The Shining“ ausstellen – das Setting ist diesmal ein Club. Wie sieht das aus?

FORT: Es ist ein geschlossener Raum, der Boden ist wie eine Tanzfläche mit Metallplatten ausgelegt und an einer Wand läuft groß die Projektion. Außerdem haben wir die Tür des Berliner Technoclubs Berghain nachgebaut. Wahrscheinlich weiß kaum einer, wie die aussieht, weil sie ja fast immer offen steht. Es ist eine doppelte, mit Tags übersäte Metalltür. Den tranceartigen Track „Sunday Hangover“ des schwedischen Musikers Ole Brolin haben wir passend zu den Bildern, die in Zeitlupe laufen, verlangsamt. Beim Dreh in einem Jugendfreizeitheim in Berlin-Moabit haben wir ihn aber in Original-Geschwindigkeit gespielt.

SW: Es sind also Kinder, die in dem Video tanzen – konnten die mit der experimentellen Musik etwas anfangen?

FORT: Genau das hat uns interessiert. Wir wollten herausfinden, wie Kinder sich zu dieser Art von Musik bewegen. In diesem Alter, zwischen acht und zwölf, hören Kinder ja eigentlich noch keinen Techno. Aber sie gehen schon ins Internet, schauen sich zum Beispiel in Musikvideos Bewegungsabläufe ab und machen sie nach. Den Übergang vom Intuitiven und Unbewussten in das, was schon gelernt ist, fanden wir spannend. Zwischen der kindlichen Unschuld und der bewussten Pose verläuft ein schmaler Grat. Wenn man älter ist, hat man sich ja schon einige Moves angeeignet. Aber trotzdem ist da noch dieses Kind in einem drin.

SW: Das Berghain ist exzessives Nachtleben per se – ging es auch um den Kontrast zur kindlichen Unschuld?

FORT: Schon, aber wir wollen nicht moralisieren. Wir selber gehen übrigens gar nicht in Technoclubs, auch wenn wir natürlich schon mal im Berghain waren. Die Feierkultur ist in Berlin ja so allgegenwärtig, das beschäftigt einen. Es ist eine zwiespältige Faszination. Man kann verstehen, warum Leute manchmal tagelang in diese hedonistische Atmosphäre eintauchen. Aber auf der anderen Seite hat das eben auch etwas Finsteres.

SW: Sie arbeiten im Film viel mit Dunkelheit, manchmal wird der Screen ganz schwarz, dann zucken wieder bunte Lichter über Kindergesichter im Close-up. Das wirkt ziemlich unheimlich.

FORT: Das ist etwas, das uns verbindet: der Hang zum Unheimlichen und Morbiden. Der Titel „The Shining“ spielt auf den gleichnamigen Horrorfilm von Stanley Kubrick an, aber auch auf den strahlenden Ausdruck eines sorglosen Kindes. Wir zeigen eine düstere und gleichzeitig komisch-absurde Zukunftsvision.

 

Dieses Interview erschien in Monopol, Magazin für Kunst und Leben, Heft 04/2014